War er doch der Patronatsherr der von oben herunter
betätigten Slawisierung Österreichs.
Ungeheuer waren die Lasten die man dem deutschen Volke zumutete, unerhört seine Opfer an Steuern
und an Blut, und dennoch mußte jeder nicht gänzlich Blinde erkennen, daß dieses alles umsonst sein
würde. Was uns dabei am meisten schmerzte, war noch die Tatsache, daß dieses ganze System
moralisch gedeckt wurde durch das Bündnis mit Deutschland, womit der langsamen Ausrottung des
{014 Geschichtliche Erkenntnisse}
Deutschtums in der alten Monarchie auch noch gewissermaßen von Deutschland aus selber die Sanktion
erteilt wurde. Die habsburgische Heuchelei, mit der man es verstand, nach außen den Anschein zu
erwecken, als ob Österreich noch immer ein deutscher Staat wäre, steigerte den Haß gegen dieses Haus
zur hellen Empörung und Verachtung zugleich.
Nur im Reiche selber sahen die auch damals schon allein "Berufenen" von all dem nichts. Wie mit
Blindheit geschlagen wandelten sie an der Seite eines Leichnams und glaubten in den Anzeichen der
Verwesung gar noch Merkmale "neuen" Lebens zu entdecken.
In der unseligen Verbindung des jungen Reiches mit dem österreichischen Scheinstaat lag der Keim zum
späteren Weltkrieg, aber auch zum Zusammenbruch..
Ich werde im Verlaufe des Buches mich noch gründlich mit diesem Problem zu beschäftigen haben. Es
genügt hier, nur festzustellen, daß ich im Grunde genommen schon in der frühesten Jugend zu einer
Einsicht kam, die mich niemals wieder verließ, sondern sich nur noch vertiefte:
Daß nämlich die Sicherung des Deutschtums die Vernichtung Österreichs voraussetzte, und daß weiter
Nationalgefühl in nichts identisch ist mit dynastischem Patriotismus; daß vor allem das habsburgische
Erzhaus zum Unglück der deutschen Nation bestimmt war.
Ich hatte schon damals die Konsequenzen aus dieser Erkenntnis gezogen: heiße Liebe zu meiner
deutsch-österreichischen Heimat, tiefen Haß gegenüber den österreichischen Staat.
×
Die Art des geschichtlichen Denkens, die mir so in der Schule beigebracht wurde, hat mich in der
Folgezeit nicht mehr verlassen. Weltgeschichte ward mir immer mehr zu einem unerschöpflichen Quell
des Verständnisses für das geschichtliche Handeln der Gegenwart, also für Politik. Ich will sie dabei
nicht "lernen" sondern sie soll mich lehren.
{015 Wagner-Verehrung}
War ich so frühzeitig zum politischen "Revolutionär" geworden, so nicht minder früh zum
künstlerischen.
Die oberösterreichische Landeshauptstadt besaß damals ein verhältnismäßig nicht schlechtes Theater.
Gespielt wurde so ziemlich alles. Mit zwölf Jahren sah ich da zum ersten Male "Wilhelm Tell", wenige
Monate darauf als erste Oper meines Lebens "Lohengrin". Mit einem Schlage war ich gefesselt. Die
jugendliche Begeisterung für den Bayreuther Meister kannte keine Grenzen. Immer wieder zog es mich
zu seinen Werken, und ich empfinde es heute als besonderes Glück, daß mir durch die Bescheidenheit
der provinzialen Aufführung die Möglichkeit einer späteren Steigerung erhalten blieb.
Dies alles festigte, besonders nach Überwindung der Flegeljahre (was bei mir sich nur sehr schmerzlich
vollzog), meine tiefinnere Abneigung gegen einen Beruf, wie ihn der Vater für mich erwählt hatte.
Immer mehr kam ich zur Überzeugung, daß ich als Beamter niemals glücklich werden würde. Seit nun
auch in dieser Realschule meine, zeichnerische Begabung anerkannt wurde stand mein Entschluß nur
noch fester.
Daran konnten weder Bitten noch Drohungen mehr etwas ändern.
Ich wollte Maler werden und um keine Macht der Welt Beamter.
Eigentümlich war es nur daß mit steigenden Jahren sich immer mehr Interesse für Baukunst einstellte.
Ich hielt dies damals für die selbstverständliche Ergänzung meiner malerischen Befähigung und freute mich nur innerlich über die Erweiterung meines künstlerischen Rahmens.
Daß es einmal anders kommen sollte, ahnte ich nicht
×
Die Frage meines Berufes sollte nun doch schneller entschieden werden, als ich vorher erwarten durfte.
Mit dem dreizehnten Lebensjahr verlor ich urplötzlich den Vater. Ein Schlaganfall traf den sonst noch so
rüstigen Herrn und
{016 Tod der Eltern}
beendete auf schmerzloseste Weise seine irdische Wanderung, uns alle in tiefstes Leid versenkend. Was
er am meisten ersehnte, seinem Kinde die Existenz mitzuschaffen, um es vor den eigenen bitteren
Werdegang zu bewahren, schien ihm damals wohl nicht gelungen zu sein. Allein er legte, wenn auch
gänzlich unbewußt, die Keime für eine Zukunft, die damals weder er noch ich begriffen hätte.
Zunächst änderte sich ja äußerlich nichts.
Die Mutter fühlte sich wohl verpflichtet, gemäß dem Wunsche des Vaters meine Erziehung
weiterzuleiten, d. h. also mich für die Beamtenlaufbahn studieren zu lassen. Ich selber war mehr als je
zuvor entschlossen, unter keinen Umständen Beamter zu werden. In eben dem Maße nun, in die
Mittelschule sich in Lehrstoff und Ausbildung von meinem Ideal entfernte, wurde ich natürlich
gleichgültiger. Da kam mir plötzlich eine Krankheit zu Hilfe und entschied in wenigen Wochen über
meine Zukunft und die dauernde Streitfrage des väterlichen Hauses. Mein schweres Lungenleiden ließ
einen Arzt der Mutter auf das dringendste anraten, mich später einmal unter keinen Umständen in ein
Büro zu geben. Der Besuch der Realschule mußte ebenfalls auf mindestens ein Jahr eingestellt werden.
Was ich so lange im stillen ersehnt, für was ich immer gestritten hatte, war nun durch dieses Ereignis
mit einem Male fast von selber zur Wirklichkeit geworden.
Unter dem Eindruck meiner Erkrankung willigte die Mutter endlich ein, mich später aus der Realschule
nehmen zu wollen und die Akademie besuchen zu lassen.
Es waren die glücklichsten Tage, die mir nahezu als ein schöner Traum erschienen; und ein Traum sollte
es ja auch nur sein. Zwei Jahre später machte der Tod der Mutter all den schönen Plänen ein jähes Ende.
Es war der Abschluß einer langen, schmerzhaften Krankheit, die von Anfang an wenig Aussicht auf
Genesung ließ. Dennoch traf besonders mich der Schlag entsetzlich. Ich hatte den Vater verehrt, die
Mutter jedoch geliebt.
Not und harte Wirklichkeit zwangen mich nun, einen schnellen Entschluß zu fassen. Die geringen
väterlichen
{017 Übersiedlung nach Wien}
Mittel waren durch die schwere Krankheit der Mutter zum großen Teil verbraucht worden; die mir